Vorrede in Strophen
Ich baue, wie man so sagt, an der Straße. Deshalb wird es viel geben, die es besser zu wissen glauben. Ich habe zwar gute Wege bereitet, die schon von vielen beschritten werden, doch kann ich die Menschen, denen ich die Pflicht gegenüber dem Recht lehre, nicht alle zugleich zur Vernunft bringen. Es sei denn, dass mir Gott, der allein Wahrhaftige, dabei helfe.
Wer meine Lehre nicht versteht und will dafür vorschnell mein Buch schelten, der tut, was ihm nicht zusteht. Denn wer nicht schwimmen kann und dafür dem Wasser Vorwürfe macht, ist durch und durch ein Tor. Sie sollten besser lesen lernen, die meine Lehre nicht begreifen können!
Ich schweige oder führe einen gerechten Streit. Davon kenn mich keiner abbringen. Unrechten Hass beachte ich nicht und gönne jedem sein gutes Recht. Manch einer könnte leicht entbehren, wenn ihn die Habsucht nur losließe, was ihm von Rechts wegen nicht zusteht. Es würde nur wenig daran verlieren!
Manch einer erschiene gerne gut, wie tadelnswert er denn auch sei. Nun kann man leider tückischen Sinn nicht anders als an den Taten erkennen, zu denen er führt. So muss ich mich vor denen sehr hüten, die mir mit Worten nachstellen, meine Lehre aus tiefstem Herzen hassen und mich trotzdem oft befragen.
Wer rechte Lehre verfälschen will, der führt auf lange Sicht einen unrechten Streit. Er ruft laut und macht viel Lärm. Aber dieses recht haben von alters her unsere Vorfahren überliefert. Dies vermag er nicht einzusehen. Denn er hat sich sein Recht allein ausgedacht. Und er will euch damit einschränken.
Deshalb prüfe man denjenigen, der neues Recht einführen will, daran, wie rechtschaffener selbst ist. Dann kann er mir nicht viel schaden. Denn es ist uns ja von den Bösen einSprichwort bekannt, das da Heißt: Der Vogel singt, wie ihm der Schnabel zum Singengewachsen ist.
Nun rede jeder, wenn er es vermag, tiefgründiger und besser, als ich es getan habe, wenn es nur der Menschheit nütze. Sollte es ihm ohne Widerstand gelingen, so vollbringt er, was noch keinem Menschen gelungen ist. Denn keiner kann zur Zufriedenheit aller Leute reden und leben, wie sehr man auch mich dafür schelten will.
Ja, es haben sich mit mir auch viele gestritten, die sich später eines Besseren besonnen haben. Weil mir die Wahrheit vertraut ist, gewann ich schließlich doch ein großes Gefolge. Wenn ich nun, dem Wunsch mancher Leute entsprechend, meine Lehre verändern würde, so hätte ich bisher viele allzu sehr betrogen.
Ich kann nicht vielen Menschen zugleich zu Gefallen reden, und man soll dies auch nicht tun. Mein Buch wird niemals den Benutzer finden, dem alles in gleicher Weise behagt. Doch tröste ich mich damit, dass, was den einen daran missfällt, tausend anderen gut dünken wird, so dass ich selbst davon unbeirrt bleibe.
Wer die eines Sinnes werden ließe, die Gott selbst unterschieden hat, der wäre tüchtiger, als ich es bin. Durch Wille, Wort und Tat sind die Bösen und die Guten unterschieden wie auch ich die Toren und die Weisen und die Kinder. Man braucht sie nur anzuhören.
Mich zieht mancher voller Hass Worte, die ich niemals brauchte. Ließe er dies, er würde besser handeln! Denn es gibt genug Leute, die wissen, dass ich in dieser Beziehung unschuldig bin. Üble Nachrede ist eine niederträchtige Rache, vor der sich ein rechtschaffener Mensch wohl hüten soll!
Hier stehe ich als Zielscheibe wie Wild, das die Hunde anbellen. Wem meine Lehre missfällt, der widerspreche mir, so gut er kann. Mancher glaubt in seinem Kreis ein Meister zu sein, der kann ein Meisterlein bliebe, wenn er mit mir um die Wette zu laufen hätte.
Gott hat es mit den Sachsen gut gemeint, indem nun dieses Buch der Öffentlichkeit übergeben werden kann. Freilich ist leider die Zahl derer gering, die Gott auf die Weise ehren, dass sie ihren Verstand für das Gute gebrauchen.
Mich stört sehr, ohne dass ich es ändern kann, dass sich das Böse und mit ihm die schwere Sünde vermehrt, wenn nur ein Irrlehrer dafür eintritt. Ja, viele würden sogar, wenn sie es nur vermöchten, mit Freuden Schaden anrichten! Wie sehr ich auch Gott darum bitte, dass dieses Buch jedem rechtschaffenen Menschen bekannt werde – Leuten, die unrecht handeln, gönne ich es nicht!
Wie ungerecht ein Mensch auch immer ist, so vermag er doch meist einzusehen, dass ihm das Recht nützen kann, und wenn er es bekommen kann, bedient er sich dessen mit Fleiß. Doch verdrießt ihn das Recht und dünkt ihn kein gutes Recht, wenn er Nachteile davon hat. Dieses nimmt man nur ungern wahr. Doch Recht, das allen Leuten n gleicher Weise gut gefällt, das
vermag keiner zu lehren.
Wer sich auf das Recht versteht, der soll sich, ganz gleich ob es ihm lieb oder leid ist, zum Nachteil oder zum Nutzen gereicht, immer nach ihm richten. Er soll Recht sprechen und sich selbst danach verhalten. An Recht sollte man gegenüber niemanden sparen, wenn man Recht sprechen will; sonst ist es besser zu schweigen. Wer sich außerhalb meiner Lehre bewegt, kann leicht so Recht sprechen, dass er sich Gott gegenüber versündigt. Denn wer das Recht
verdreht, bricht den Bund mit Gott. Gott selber hat uns gelehrt, dass wir alle Recht sind und Unrecht uns Missfalle.
Rechtschaffene Leute fordere ich auf, wenn ihnen irgendetwas begegnet, was ich mit meinem begrenzten Wissen übersehen habe und worüber deshalb dies Buch nichts enthält dass sie sich in jedem Fall darum bemühen, eine Entscheidung dem Recht entsprechend zu erhalten. Nun achtet darauf, dass euch niemandes Lieb oder Leid, Drohung oder Geschenk so verblende, dass man euch vom Recht abwende.
Dies Recht habe ich mir nicht selbst ausgedacht. Es ist uns vielmehr seit alters von unseren rechtschaffenen Vorfahren überliefert worden. Wenn ich es vermag, will auch ich es bewahren, damit mein Schatz unter der Erde nicht mit mir vergehe. Die Gnade, die Gott mir erwiesen, soll zum Allgemeinbesitz der ganzen Welt werden.
Wir haben sichere Beweise dafür, dass der Wissenskundige, wenn er andere Menschen lehrt, sein Wissen dadurch vergrößert, hingegen der Habsüchtige, der es für sich allein haben möchte, nur wenig davon behält. Wenn auch dem einen lieb und dem anderen leid, so sind doch Nutzen und Glückseligkeit damit verbunden: „ Spiegel der Sachsen „ sei deshalb die Buch genannt, weil mit ihm das Recht der Sachsen allgemein bekannt wird, wie durch einen Spiegel den Frauen das Antlitz, das sie Erblicken. Alle Leute mahne ich, dass sie dies Buch in der Weise benützen, dass es ihrer Ehre nicht schadet, damit es ihnen gnädig ergehen möge und sie ihr Lebensweg nicht reut, wenn Gott den Spiegel umwendet und uns mit der Erde mischen und nach unserem Verdienst lohnen wird.
Ihr stolzen Helden, denkt daran, auf den Tag folgt die Nacht. Der Tag hat sich auch für uns geneigt, und der Abend kommt für uns herauf. Wer in diesem Buch auf Rechtsfragen Antwort sucht und ihm daran irgendetwas missfällt, soll sich nicht gleich beklagen, sondern die Angelegenheit in seinem Sinn auf ihr Ende und ihren Anfang hin überdenken; und sich bei weisen Leuten befragen, welche die Wahrheit kennen und auszulegen verstehen und auch die Gewohnheit haben, sich rechtmäßig zu verhalten.
Wenn er von ihnen besseres Recht erfahren kann, so rate ich ihm, dass er sich daran hält. Denn es ist besser, die Lehren weiser Leute, die es zum Guten wenden, zu befolgen, als allein die meinige.
Doch erkennt auch, dass niemand bisher daran gedacht hat, Leuten ganz allgemein, den Mächtigen wie den Bedürftigen, das Recht bekannt zu machen, auf das sie sich berufen können, so wie ich es in meinem Sinn beschlossen habe. Dafür lege ich mit diesem Büchlein Zeugnis ab.
Große Angst überfällt mich, denn ich fürchte, dass mancher dieses Buch durch Zusätze erweitern wird und damit das Recht in sein Gegenteil zu wenden beginnt und dies in meinem Namen tun wird. Doch Gott, den niemand zu betrügen vermag, der weiß auch, dass sie lügen. Ich aber kann`s nicht hindern! Alle, die unrecht handeln und mit diesem Buch Unrecht vollführen, und die, welche Falsches hinzufügen, bedenke ich deshalb mit diesem Fluch: Der Aussatz möge sie befallen, so wie es Gehazi geschah, als Elisa darum betete und Naaman davon geheilt wurde.
Gott, der Erlöser und Beschützer, möge an ihnen Rache üben, dass die Seele davon bekümmert werde, zusammen mit dem Körper. Dem Teufel bleibe ihre Schrift, solange sie nicht ausgelöscht, als Unterpfand. Wer des Teufels auf immer und ewig sein will, der sende ihm diese Urkunde und fahre in den Grund der Hölle.
Und doch wird Unrecht offenbar, wie bei einem Kupferpfennig in der Hand, wenn das rote Metall zwischen den Pfennigen, wie sie üblich sind, hervorblitzt, weil der silberne Überzug abgescheuert wurde. Ebenso wird das Unrecht widerlegt, wenn man der Sache nur nachgeht. Vor Gott sei verflucht, wer das Unrecht bereitwillig unterstützt oder mit diesem Werk vermischt, auf das ich viel Nachdenken verwendet, ehe ich es mit Gottes Beistand zu Ende gebracht habe.
Nun dankt alle zusammen dem Herrn von Falkenstein, der Graf Hoyer genannt wird, dass dies Buch auf seine Bitte in deutscher Sprache abgefasst worden ist. Eike von Repgow hat es getan. Nur widerwillig hat er diese Arbeit übernommen.
Doch als er hörte, wie groß das Verlangen seines Herren war, hatte er dem nichts mehr entgegenzusetzen. Die Zuneigung zu seinem Herrn veranlasste ihn dazu, dieses Buch zu beginnen, an das er nicht gedacht hätte, als er es auf Latein verfasste. Ohne Unterstützung und Unterweisung dünkte es ihn zu schwer, es ins Deutsche zu übersetzen. Schließlich unterzog er sich doch der Mühe und entsprach damit Graf Hoyers Bitte.